Jadwiga war und ist weiterhin nicht nur eine mir sehr nahestehende Person, sondern gleichzeitig auch jemand überaus Interessantes und daher eines genaueren Kennenlernens würdig. Sie, eine Künstlerin durch und durch, überzeugt von den eigenen Ansichten, die oft auf Emotionen, Launen, Intuitionen beruhten, und ich, ein konsequenter Rationalist: Wir hatten häufig unterschiedliche Meinungen, auch was die Kunst anbelangt. Jetzt geht es jedoch nur um sie selbst und ihr persönliches Verhältnis zu eigenen Graphiken. Ihre Denk- und Vorgehensweise waren mir sehr vertraut. Und diese in ihren Graphiken wiederzufinden, ist für mich zu einer Art Forschung geworden.
Jadwiga äußerte sich ungern über die Bedeutung ihrer einzelnen Graphiken. Sie war der Meinung, dass der Betrachter selbst erkennen sollte, was der Künstler ihm mitteilen wollte. Zwar hatte sie mit der Titelgebung sowie mit der reichen Symbolik in ihren Arbeiten eine Hilfestellung geleistet, diese wurden in späteren Werken allerdings zunehmend unlesbarer, zumindest für mich. Eine der Ursachen waren bestimmt die etwa 1000 Kilometer, die uns trennten und häufigere Kontakte erschwerten. Was ich jedoch vorher von ihr und von ihrem Mann Stanislas erfahren habe, erlaubte mir, ihre Werke vielschichtiger, tiefer zu ergründen, als es das für jemanden fremden möglich gewesen wäre. Und auf diese Einsichten möchte ich im Folgenden näher eingehen.
Im Jahre 1969 unterbrach Jadwiga ihr Studium, weil sie sich einer intensiven Therapie unterziehen musste. Verständlicherweise hat sie dann ihre Diplomarbeit und die Graphiken der nächsten zwei Jahre unter dem Einfluss der prägenden Erfahrungen geschaffen, die sie und andere Leidensgenossen in den Kliniken durchgestanden haben. Die Themen dieser Werke waren Leiden, das Gurren der Tauben, das durch das offene Fenster zu hören war, wenn man selbst ans Bett gefesselt ist, aber auch Gedanken über das Leben und Tod. Zunehmend kamen soziale Themen, die Verschmutzung der Luft, die Vergiftung der Nordsee, die Entmenschlichung des Sports, das Leid der Frau oder die blinde Faszination von Technik, welche die Natur zerstört („Apokalypse des 20. Jahrhunderts”) hinzu.
Ab dem Jahre 1977 fertigte sie alle Graphiken als Holzstiche an, bis auf einige Linolschnitte für die Oper in Adelaide. Diese außergewöhnlich schwierige und arbeitsaufwendige Technik hat sie von Anfang an meisterhaft beherrscht und oft in erstaunlich großen Formaten ausgeführt. Mehrmals habe ich Lob von anderen Graphikern gehört, die diese Technik angeblich nach den ersten Versuchen mit wesentlich kleineren Formaten rasch aufgegeben haben. Damals hat sie auch ein neues Thema in ihre Werke eingebracht, eine Art psychologisierter Charakterstudien bestimmter Persönlichkeiten, natürlich aus ihrem eigenen Blickpunkt.
Die von Jadwiga ausgearbeiteten Themen sind für sich genommen schon sehr interessant. Außerdem ist die Art und Weise der Auseinandersetzung damit sehr persönlich, weil sich auch das Gefühlsleben der Künstlerin während des Schaffens der Werke darin widerspiegelt. Deswegen ist es, meiner Meinung nach, lohnenswert, sich eingehend mit ihnen zu befassen, sie zu verstehen, vielleicht sie sogar zu erleben.
Ich beginne mit dem Vergleich zweier Holzstiche, die einen fröhlichen Eindruck erwecken, was unter Jadwigas Graphiken eher selten vorkommt.